Auftaktsymposion im Rahmen der „Dialogplattform Kärnten nach 2020“ am 2. Oktober 2021 im Tischler-Saal bei Hermagoras, Klagenfurt
Das Podium v.l.n.r.: Dr. Franco Finco , Dr.Ewald Krainz, Dr. Johannes Maier, Dr. Werner Drobesch
Als Auftaktveranstaltung der „Dialogplattform Kärnten nach 2020“ veranstaltete der Club tre popoli ein Symposion zu den drei Leitthemen des Projektes „konfliktlösungsfähig - postnationalistisch – viersprachig“ und hatte dazu renommierte, in Kärnten tätige Wissenschaftler eingeladen.
Unter dem Titel „Gesellschaftliche Konflikte perpetuieren oder bearbeiten?“ sprach Dr. Ewald Krainz, ao. Univ.- Prof. i. R. für Gruppendynamik und Organisationsentwicklung an der Universität Klagenfurt, zunächst über persönliche Eindrücke und Erfahrungen im Umgang mit der Kärntner Zweisprachigkeit und schließlich grundsätzlich über die Morphologie der sozialen Welt: vom Individuum über das Paar, eine Dreierkonstellation zur Gruppe und schließlich hin zur größeren und unpersönlichen Organisation wirken unterschiedliche Einflüsse auf den Einzelnen und die jeweiligen Gruppen als Gesamtheit. Jede Generation ist aufs Neue gefordert, ihr eigenes historisches Bewusstsein auszubilden und zu entwickeln, wobei ausgehend von einzelnen „cases“ der Blick aufs große Ganze entwickelt werden kann.
Dr. Werner Drobesch, ao. Univ.- Prof. für Neuere und Österreichische Geschichte an der Universität Klagenfurt, konstatierte: „Nationalismen bestimmen unser Leben“. Der Nationalismus als Paradigma habe sich bis in unsere Zeit gehalten. Seine Ursprünge liegen unter anderem in der französischen Revolution und, auf unseren Raum bezogen, in der Endphase der Habsburgerherrschaft. Besonders in Krisenzeiten wirkt Nationalismus anziehend – er verspricht den Menschen Freiheit und eine homogene Gemeinschaft ohne „fremde“ Elemente. Die damit einher gehende Ausgrenzung erhält ihre Legitimation durch die Schaffung von Feindbildern des „Anderen“. Im heutigen Europa wirken nach wie vor nationalistische Kräfte als eine Antwort auf die Ängste der Menschen in unsicheren Zeiten.
Dr. Franco Finco, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Klagenfurt, gab seinem Beitrag den vielsagenden Titel „Mehrsprachigkeit die Norm - Einsprachigkeit die Ausnahme“. Weltweit ist die Zahl der Mehrsprachigen deutlich höher als jene einsprachiger Individuen. Grundsätzlich sei Mehrsprachigkeit eine wertvolle Ressource für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft, wobei individuelle, territoriale, soziale und institutionelle Mehrsprachigkeit unterschieden werden können. Prof. Finco nannte beispielhaft vielsprachiger Länder wie Südafrika (11 Landessprachen) oder Bolivien (Spanisch und 35 weiteren Landessprachen). Die Definition von individueller Mehrsprachigkeit ist einem Wandel unterworfen: sprach man früher von einer nahezu perfekten Beherrschung („native-like control“) der Sprache, steht heute die grundsätzliche Fähigkeit zur Kommunikation im Vordergrund, Perfektion ist nicht mehr zwingend notwendig. Mehrsprachige Personen wechseln häufig zwischen zwei oder mehreren Sprachen („Code-Switching“) und verwenden die eine Sprache bei der Arbeit, die andere im familiären Umfeld. Die Kenntnis mehrerer Sprachen bringt vielfache Vorteile für die Sprecher mit sich und ermöglicht es, die Welt durch die „Brille“ anderer zu sehen.
Der Author dieses Artikels, Obmann-Stv. Dr. Mario Rausch
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